Dossier-Absinth

Radiosendungen von Radio DRS2 und DRS3 vom 18.11.03 und 16.11.03  "Input": Absinth - ein Kultgetränk wird legal (Identische Sendungen)

Die Sendungen enthielten einen historischen Abriss, wie es zum Verbot kam, die Stellungnahmen von Befürwortern und Gegnern der Verbotsaufhebung. Bei den Gegnern gibt es laut BAG-Vertreter zwei Gruppen: Die bisherigen Schwarzbrenner, die befürchten, wenn der Nimbus des Verbotenen weg sei, würden sie ihren Verdienst verlieren. Dann die Gegner eines legalisierten Absinths auf Seiten der Alkoholgegner, die als Fundamentalisten gebrandmarkt werden. Aber auf deren Gründe wird nicht eingegangen. Sie seien deshalb hier mindestens ansatzweise erwähnt:

Die Erfahrung lehrt uns, dass jede Erleichterung des Zugangs zu Alkoholika zur Konsumsteigerung führt. Es ist ja das Bestreben der Befürworter im Val de Travers, Absinth nach der Legalisierung industriell herzustellen und auch im Tourismus zu vermarkten. Wie das Beispiel Berlin zeigt, wird sich wahrscheinlich auch bei uns ein Modetrend hin zu diesem hochprozentigen Schnaps entwickeln.

Da es sich beim Absinth um einen süsslichen Wermut mit Anisgeschmack handelt, ist zu befürchten, dass auch die Jugendlichen daran Gefallen finden könnten, was die Alcopops-Szene zusätzlich "bereichern" dürfte. Der Gesetzgeber wird wie gehabt verspätet darauf reagieren, wenn überhaupt, denn es könnte ja die eigene (kleine) Industrie treffen.

Die Werbebranche stellt sich bekanntlich auf den Standpunkt, was legal hergestellt und verkauft werde, dafür dürfe auch ungehemmt geworben werden. Dass sich dann die verhältnismässig kleine Industrie im Val de Travers gegen übermächtige Konzerne  im Ausland durchsetzen kann, darf bezweifelt werden. Vielleicht werden sie dann plötzlich zu Befürwortern eines Werbeverbotes auf Alkoholikas. Unsere einheimische Schnapsindustrie hat ja bereits heute keinen Stich gegen die Importmarken.

Gesundheitsargumenten wurde nur dadurch Rechnung getragen, dass behauptet wurde, so werde gezielte Prävention möglich, der maximale Thujongehalt werde vorgeschrieben und kontrolliert. Dabei wird völlig vernachlässigt, dass der Konsum des hochprozentigen Schnapses allein schon durch den Alkohol höchst gesundheitsgefährdend wirkt, was uns in der heutigen Zeit gerade noch gefehlt hat. Die 6,5 Mia. Sozialkosten wegen des Alkoholkonsums sind offenbar immer noch nicht genug! Abgesehen davon wird es sicher Schlaumeier geben, die eine Nische darin sehen werden, diese Vorschriften zu umgehen. Wo ist dann die Polizei, die dem Gesetz Nachachtung verschafft? (Siehe 0,5-Promillegrenze!) Bisher habe es nur Prozesse gegeben, wenn ein Schwarzbrenner den andern verpfiffen habe. 

Dass sich auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unter seinem wirtschaftsfreundlichen Chef BR Couchepin für die Aufhebung des Gesetzes ausspricht, ist nicht verwunderlich. Wenn derart grosse Mehrheiten winken, gibt der Kluge nach. (Zitat Nebelspalter Nov.03: Der Kluge gibt nach, bis er der Dumme ist.) Das trifft natürlich auf das BAG so nicht zu: Es ist nie "der Dumme", es lebt ja von unsern Gesundheitsproblemen. "Der Dumme" sind wir alle. Eigenartigerweise sprach nur ein Vertreter der Abteilung für Lebensmittelsicherheit für das BAG und nicht die Abteilung für Suchtmittel (Das heutige Verbot steht im Lebensmittelgesetz). Er nahm für sein Amt in Anspruch, in Übereinstimmung mit den Fachleuten eine realistische Politik und Prävention zu vertreten, die auch Aussicht auf Erfolg haben könne. Beim Vergleich mit der Cannabisdiskussion sagte er, diese erfolge im Rahmen der Suchtprävention. Absinth ist offenbar kein Problem der Suchtprävention. 

Die Aufhebung des Verbots wird damit begründet, Absinth sei ein alkoholisches Getränk wie jedes andere. Kein Wort über die Erkenntnisse der Wissenschaft zum Inhaltsstoff Thujon, dessen Konzentration ja nicht umsonst beschränkt werden soll. Neue Untersuchungen der deutschen Wissenschafter Dr. med. Jakob Hein und Prof. Dr. med. Klaus-Jürgen Neumärker an der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin und Dr. rer. nat. Lars Lobbedey an der Versuchs- und Lehranstalt für Spriritusfabrikation und Fermentationstechnologie am Institut für Gärungsgewerbe und Biotechnologie ergaben neue Erkenntnisse, die im Deutschen Ärzteblatt, Heft 42, veröffentlicht wurden. Thujon wird als Nieren und Nervengift mit eigenständigem Suchtpotenzial beschrieben. (Siehe Leserbrief vom 3./9.1.2002 im Tages-Anzeiger)

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Stand: 03.01.2009