Briefe an ....

 09.09.2005

 Offener Brief

 

Herrn Bundespräsident
Samuel Schmid
Bundeshaus 
Bern

Per e-mail

 

Betr. Vom Bundesrat verabschiedetes neues Biergesetz

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Sie haben in Ihrer Ansprache am 1. August auf dem Rütli u.a. gesagt (Quelle: Tages-Anzeiger, 7.9.05): "Eidgenossenschaft bedeutet auch, das Handeln am Wohl der Schwachen zu messen." Sie haben sich mit Ihrem Auftreten in den Medien in letzter Zeit meinen grossen Respekt, meine Hochachtung erworben.

 Offenbar ist sich der Gesamtbundesrat am letzten Mittwoch dieser Maxime aber nicht mehr bewusst gewesen, hat er doch wieder einmal die Wirtschaftsinteressen einiger weniger, vor allem ausländischer Grosskonzerne, höher gewertet als die Gesundheit und die Chancen unserer Jugend.

 Dass die Jugend in diesem Zusammenhang zu den Schwachen gehört ist klar, wenn man sich bewusst ist, dass sie der Spiegel unserer Gesellschaft und dieser ziemlich wehrlos ausgeliefert ist. Da nützen alle noch so gut gemeinten aufklärenden Präventivmassnahmen praktisch nichts, wenn die Erwachsenen „Geld machen“ wollen. Das nächste entsprechende Beispiel ist bekanntlich die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes.

Ich hoffe, dass der Beschluss wenigstens nicht einstimmig gefallen ist. Und dass im Parlament noch eine Verbesserung möglich ist. Die heutige Jugend hat wirklich schon genug Hindernisse auf ihrem Lebensweg zu überwinden. Da braucht sie diese zusätzlichen Erschwernisse wahrlich nicht auch noch.

Freundliche Grüsse

Hermann T. Meyer  

 

 

Antwort aus dem persönlichen Büro des Bundespräsidenten vom 20.9.05

Sehr geehrter Herr Meyer

Im Namen und Auftrag von Herrn Bundespräsident Samuel Schmid danke ich Ihnen für Ihre Mail vom 9. September 2005 betreffend neues Biergesetz.

Herr Bundespräsident Schmid hat sich über Ihre anerkennenden Worte gefreut und mich gebeten, Ihnen zu Ihrem Anliegen Folgendes mitzuteilen:

Der Bundesrat hat am 7. September 2005 tatsächlich das neue Biergesetz verabschiedet. Neu soll das Bier künftig nach dem Alkoholgehalt besteuert werden. Eine Steuererhöhung ist nicht geplant, da dies die sozial schwächeren Bevölkerungskreise überproportional treffen und zu einem steigenden unkontrollierten Heimkonsum von Billigbieren führen würde.

Das neue Gesetz soll keine Mehreinnahmen für den Bund bringen. Es löst den Beschluss von 1934 über die eidgenössische Getränkesteuer ab und ist EU-kompatibel. Bemessungseinheit bleibt auch mit dem neuen Gesetz der Hektoliter. Bemessen wird aber neu nach der Gradstärke des Bieres auf der Grundlage des Stammwürzegehalts. Je höher der Stammwürzegehalt, desto stärker und alkoholhaltiger ist das Bier und desto höher wird es besteuert. Zurzeit fliessen pro Jahr Biersteuern in der Höhe von rund 100 Millionen Franken in die allgemeine Bundeskasse.

Mit freundlichen Grüssen


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Priska Rippstein
Persönliches Büro des Vorstehers VBS
Bundeshaus Ost, 3003 Bern

Tel. 031 324 50 33
Fax 031 323 57 82 

Replik auf obige Antwort

Offener Brief
20.9.2005


Sehr geehrte Frau Rippstein,
Besten Dank für Ihre Antwort. Die sachlichen Angaben sind mir bekannt. Mit der Begründung kann ich leider nicht einig gehen.
- Die Frage des Jugendschutzes wird übergangen.
- Wenn Sie die Bierpreise heute in den Supermärkten vergleichen, werden Sie sehen, dass diese heute so tief liegen, dass wir bereits einen "unkontrollierten Heimkonsum von Billigbieren" haben. Eine Steuererhöhung würde diesem entgegenwirken. Wenn es die unteren Einkommensschichten treffen würde, wäre es zu deren Schutz. Preiserhöhungen bewirken bekanntlich einen Konsumrückgang. Der wäre dringend nötig. Nicht nur - aber auch - bei den unteren Einkommensschichten.

- Die 100 Mio. Fr. Steuerertrag sind ein lächerlicher Tropfen auf den heissen Stein. Dem gegenüber stehen 6,5 Milliarden Fr. alkoholbedingte Schäden! Gerade heute wurden im Internet die Antworten des Bundesrates auf parlamentarische Vorstösse bekanntgegeben. Bei der Motion von Nationalrat Germanier ist der Bundesrat einverstanden, auf 450'000.- Fr. Alkoholsteuern pro Jahr bei Weinen mit über 15% Alkoholgehalt zu verzichten. Eine allgemeine Alkoholsteuer drängt sich geradezu auf. Und die Motion von Nationalrat Vollmer "Sportanlässe und -Verbände als Alkoholpromotoren" empfiehlt er zur Ablehnung. Diese betrifft Ihr Departement. Bald kommt noch die Alkoholwerbung im neuen Radio- und Fernsehgesetz. Es scheint, als ob der Bundesrat gegenüber der Alkoholwirtschaft Abbusse leisten muss, weil der Bund Alcopopsteuern und die 0,5‰-Grenze beschlossen hat. Damit leistet er der Volksgesundheit, (aktuell: Krankenkassenprämien!) der Bundeskasse und der Wirtschaft einen schlechten Dienst.

Mit freundlichen Grüssen
Hermann T. Meyer

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Stand: 03.01.2009