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Alkoholpolitik und Volksgesundheit

CH: Vernehmlassung zum neuen Alkohol-Gesetz

Freitag 29. Oktober 2010 von htm

Wir haben folgende Vernehmlassungs-Antwort von „Juvente“ erhalten:

Eidgenössische Alkoholverwaltung
Totalrevision Alkoholgesetz
Länggassstr. 35
3000 Bern 9

Basel, x. Oktober 2010

Vernehmlassung: Totalrevision Alkoholgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir haben erfahren, dass das Bundes-Alkoholgesetz totalrevidiert werden soll, und haben die Vernehmlassungsvorlage mit Interesse gelesen.

Als Jugendverband, der sich mit seinen Mitgliedern für ein drogenfreies, also auch alkohol- und nikotinfreies, unabhängiges und selbstbestimmtes Leben einsetzt, würden wir an dieser Vernehmlassung gerne teilnehmen (und bei künftigen, ähnlichen Gesetzesvorhaben direkt zur Vernehmlassung eingeladen werden).

Jugendliche und Kinder haben das Recht auf ein Umfeld, in dem alle Menschen friedlich miteinander leben und sich frei entfalten können. Auf dem Weg zur Verwirklichung dieses Zieles ist Alkohol ein gewichtiges Hindernis. Allein in der Schweiz leben schätzungsweise 100’000 Kinder und Jugendliche in alkoholbelasteten Familien; ihr Leiden angesichts dieser Situation ist gross, sie müssen Aufgaben ihrer Eltern übernehmen, die nicht ihrem Alter entsprechen, und stehen unter dem Druck, nichts von den Problemen nach aussen dringen zu lassen. Es ist belegt, dass Kinder, die unter solchen Umständen aufwachsen müssen, später ein grosses Risiko aufweisen, selbst alkoholabhängig zu werden.

Alkohol ist kein normales Handelsgut. Es handelt sich um eine chemische Substanz mit ei­nem nicht zu unterschätzenden Suchtpotenzial und negativen Auswirkungen auf die menschliche Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit. Immer mehr häufen sich die Schlag­zeilen über alkoholbedingte Gewalttaten, über sinnlose Massenbesäufnisse (Botellones) oder über eine steigende Zahl von Jugendlichen, die mit einer akuten Alkoholvergiftung in die Notfallstationen der Spitäler eingeliefert werden.

Positiv zu werten sind am Entwurf u.a. folgende Punkte:

  • Die Einführung der Bewilligungspflicht für den Verkauf von Alkohol
  • Die Einführung des Weitergabeverbots von Alkohol an Minderjährige
  • Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Durchführung von Testkäufen.

Aus unserer Sicht – also mit dem Schwerpunkt auf der Prävention – muss der Gesetzesent­wurf unbedingt noch nachgebessert werden.

Wir schlagen folgende Änderungen vor:

Artikel 1 AlkG. Im Zweckartikel sollte festgehalten werden, dass das Gesetz der Regu­lierung des Alkoholmarktes dienen sollte sowie dem Schutz der öffentlichen Ge­sundheit, insbesondere der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Absatz 1). Es ist klarzustellen, dass physische und psychische Schäden vermindert werden sollen, die durch Alkohol entstehen (Absatz 2 Buchstabe b). Den Hinweis auf die von der Al­koholindustrie selbst erlassenen Verhaltensregeln kann man sich dagegen sparen (Absatz 2 Buchstabe c); denn das ist reine PR.

Artikel 3, 4 und 23 AlkG. Werbeeinschränkungen sind eines der wirksamsten Mit­tel der Prävention. Es gibt keinen Grund für eine Ungleichbehandlung der Werbung für verschiedene Arten alkoholischer Getränke. Die beiden Artikel sollten zu einem einzigen zusammengefasst werden (d.h. in Artikel 3 sollte «Spirituosen» durch «al­koholische Getränke» ersetzt werden). Auch die Bussen bei Widerhandlungen gegen die Werbeverbote sollten bei allen Alkohol-Arten gleich sein (Artikel 23).

Artikel 6 AlkG. Unseres Erachtens sollte Alkohol nicht an Automaten verkauft wer­den dürfen, sondern nur durch Personal, das die Jugendschutzvorschriften kennt und einhält. Wichtig wäre zudem ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot in den Läden, z.B. von 22 bis 07 Uhr. Kommen Jugendliche nachts nicht an Alkohol heran, wird es auch weniger Exzesse geben, denn gewöhnlich haben Jugendliche keine grossen Vorräte, sondern kaufen spontan ein.

Artikel 7 AlkG. Auch hier ergibt eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Al­kohol-Arten keinen Sinn. Rabatte und Aktionen sollten nicht nur für Spirituosen verboten sein, sondern für alle Alkoholika. Besonders für Jugendliche spielt der Preis eine wesentliche Rolle: Je günstiger der Alkohol ist, desto höher ist der Konsum und desto grösser ist das Risiko des Rauschtrinkens mit seinen negativen Folgen (Unfälle, Schlägereien, Alkoholvergiftung, Beziehungsprobleme, Ruhestörung etc.).

Artikel 9 AlkG. Testkäufe sind eines der besten Mittel, um die Einhaltung der Jugend­schutzvorschriften zu kontrollieren. Was aber fehlt, sind Sanktionen gegen­über Händlern, die sich nicht an die Vorgaben halten. Es sollte eine Bestimmung ein­gefügt werden, dass den Läden, wenn sie wiederholt Alkohol an Minderjährige ver­kaufen, die Bewilligung zum Alkoholverkauf vorläufig oder definitiv entzogen werden kann.

Artikel 11 AlkG. Wir sind der Ansicht, Läden und Restaurants müssten nicht nur drei, sondern fünf alkoholfreie Getränke anbieten, die billiger sind als das billigste al­koholische Getränk in der gleichen Menge.

Artikel 12 AlkG. Viele Organisationen, Vereine und Stellen, die Suchtprävention betreiben, sind auf staatliche Unterstützung ihrer Projekte angewiesen. Deshalb sollte von einer «kann»-Formulierung abgesehen und eine verbindliche Verpflichtung vor­gesehen werden. Es ist die Pflicht des Bundes, für die öffentliche Gesundheit zu sor­gen, und deshalb ist die Ausrichtung entsprechender Beiträge ein Muss.

Neue Bestimmung zu örtlichen Abgabeverboten. Die Justiz- und Polizeidirekto­ren fordern es, die Sportverbände fordern es, und der Städteverband fordert es ebenso: Das zeitlich und örtlich festzulegende Alkoholverkaufsverbot. Mit dieser einfachen Massnahme, die sich in vielen anderen Ländern bewährt, kann das Risiko von alkoholbedingten Ausschreitungen minimiert werden. Deshalb ist den Be­hörden von Kantonen und Gemeinden das Recht einzuräumen, zeitlich und örtlich eingeschränkte Alkoholverkaufsverbote zu erlassen für Orte, wo ein erhöhtes Risiko von alkoholbedingten Störungen der öffentlichen Ordnung besteht.

Artikel 15 SStG. Der Steuersatz sollte aufgrund der aufgelaufenen Teuerung einer­seits erhöht werden (z.B. auf CHF 32,- pro Liter reinen Alkohols), andererseits sollte er gleichermassen für alle Alkoholarten gelten.

Artikel 16 SStG. Je günstiger Alkoholika sind, desto eher werden sie gekauft. Ge­rade für Jugendliche ist der Preis ein ausschlaggebendes Kriterium. Deshalb muss der Steuersatz vom Bundesrat zwingend (und nicht nur optional) an die jeweilige Teue­rung angepasst werden.

Wir hoffen sehr, dass Sie unsere Vorschläge aufnehmen können und somit das Alkohol­gesetz stärker auf den Jugendschutz ausrichten werden.

Mit freundlichen Grüssen

Juvente

Andrea Solari                  Annekäthi Häusermann

Präsidentin                      Vorstandsmitglied

Beilage:

Alkoholpolitisches Programm von «ACTIVE – Sobriety, Friendship, Peace», einem europäischen Jugend­dachverband, dem Juvente Schweiz und über 500 Jugendgruppen in ganz Europa angeschlossen sind

Kategorie: Allgemein, Dokumente, Neues Alkoholgesetz (CH), Politik, Schweiz, Verhältnis-Präv. | Keine Kommentare »

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