Montag 30. März 2009 von htm
Schweizer Presserat
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Beschwerde betr. Gesundheitsanpreisung für Rotwein in „Gesundheitstipp“ Nr. 3, März 2009
Beschwerdepunkte:
1. Die Zeitschrift „Gesundheitstipp“ verkauft sich im Editorial des Chefredaktors als Hüter der Gesundheit von Patienten und Konsumenten, möchte darin Kompetenz für sich beanspruchen. Der Leser erwartet denn auch eine verantwortungsbewusste, auf Tatsachen beruhende und den letzten Stand der Wissenschaft wiedergebende Berichterstattung. Völlig im Widerspruch dazu steht auf dem Titelblatt die unkritische Überschrift „Rotwein fürs Herz“ und „Stichprobe: Das sind die gesündesten Tropfen“
Begründung:
Die Überschrift ist reisserisch und suggeriert, dass Rotwein an sich gesund ist. Auch dass es
dazu gesündere und gesündeste Sorten gibt. Diese Gesundheitsanpreisung ist gesetzwidrig, sonst würden die Weinproduzenten schon lange damit werben. Tatsache ist, dass trotz eventuell herzschonender Eigenschaften die negativen „Nebenwirkungen“ durch den Alkoholgehalt derart ins Gewicht fallen, dass verantwortungsbewusste Forscher davon abraten, dass bisherige Nicht-Konsumenten wegen dieser möglichen positiven Wirkung mit dem Konsum beginnen.
2. Im zweiseitigen Text mit dem Titel „Das sind die gesündesten Rotweine“ wird über Resveratrol geschrieben, ein Wirkstoff in Schalen und Kernen der roten/blauen Trauben. Er kommt deshalb nur im Rotwein oder roten Traubensaft vor. Daneben aber auch in andern Früchten und Säften, was nicht erwähnt wird. Es wird berichtet, Mediziner würden mindestens 0.5 Milligramm Resveratrol pro Tag empfehlen und Forscher würden vermuten, dass Resveratrol auch das Altern verlangsame und vor
Krebs schütze.
Begründung:
Die Quellen für diese Behauptungen werden nicht genannt. Auch worauf dieser Mindestbedarf begründet ist. Resveratrol wird inzwischen auch synthetisch hergestellt. Eine Versorgung damit ist somit möglich, ohne die schädigenden Eigenschaften des Alkohols in Kauf nehmen zu müssen, die nicht erwähnt werden. Wie schon erwähnt, wird in den seriösen Untersuchungen darauf hingewiesen, dass es nicht empfehlenswert sei, mit dem Konsum zu beginnen, da die Risiken bei regelmässigem Konsum zu gross seien und den eventuellen Nutzen überwögen. Zum Beispiel vergrössern schon geringe Mengen das Brustkrebsrisiko bei Frauen. Auch andere Krebsrisiken stehen im Zusammenhang mit Alkohol. Die WHO bezeichnet ca 60 Krankheiten, die als Haupt- oder Nebenursache mit Alkohol
zusammenhängen. Diese Unterschlagung der Nebenwirkungen von Rotwein sind fahrlässig und nicht zu entschuldigen. Umso mehr als der Trend zu immer hochprozentigeren Weinen geht.
3. Es wird als Testergebnis festgehalten, dass der Resveratrolgehalt abhängig sei von der Lage des Weinbergs (feucht, kühl, trocken, heiss), ob konventioneller- oder Bio-Anbau. Auch der Jahrgang (Wetter) spiele eine Rolle. Dabei ergab sich, dass man bei einer Sorte eineinhalb Liter trinken müsste, um auf die empfohlene Tagesdosis zu kommen.
Begründung:
Es ist offensichtlich, dass der durchschnittliche Käufer mit diesen Angaben nichts anfangen kann, auch weil die Grossverteiler keine entsprechende Unterscheidung vornehmen oder den Gehalt gar nicht kennen; das einzige was in seinem Gedächtnis haften bleibt, ist die Überschrift, dass Rotwein gesund sei. Egal in welchem Ausmass er konsumiert, er wird sich in seinem Verhalten bestärkt fühlen, andere werden vielleicht mehr Wein trinken oder auf Bio-Wein umstellen. Auf die Menge werden sie kaum mehr gross achten, denn Rotwein ist ja gesund bis am gesündesten.
4. „Kaum Resveratrol hat es in Weisswein und Taubensaft“.
Begründung:
Diese Aussage stimmt nur zum Teil. Beim Weisswein und weissen Traubensaft ist sie richtig, beim Traubensaft nur halb, denn roter Traubensaft entspricht in Bezug auf Resveratrol dem Rotwein, er steckt in Kernen und Häuten. Worauf diese Aussage beruht, wird ebenfalls nicht belegt. Offensichtlich wurden keine roten Traubensäfte getestet. Es ist anzunehmen, dass roter Traubensaft, weil er eher aus billigen Import-Trauben hergestellt wird, im Durchschnitt weniger Resveratrol enthält. Dafür könnte er unbeschadet in weit grösseren Mengen getrunken werden. Wenn eine Gesundheitsanpreisung sinnvoll und verantwortbar wäre, dann die für roten Traubensaft, vor allem für naturreinen schweizerischen.
Schlussbemerkung:
Dieses Titelblatt und der dazugehörende Artikel gehören als irreführend verurteilt. Sie sind eines Blattes nicht würdig, das sich als Hüter und Förderer der Gesundheit seiner Leser anpreist. Diese Art Journalismus entspricht nicht den Anforderungen, wie sie der Schweizer Presserat in Rechten und Pflichten festgehalten hat. ( http://www.presserat.ch/21690.htm ) Der Beitrag wirkt auch politisch in der Öffentlichkeit, in der die Alkoholfrage immer wieder zur Diskussion steht, einseitig und für die Volksgesundheit negativ. Er muss dringend richtiggestellt werden. Das Blatt sollte verpflichtet werden, mindestens diese Gegendarstellung und das Fazit des Presserates zu veröffentlichen.
Freundliche Grüsse
Hermann T. Meyer
Kopie an „Gesundheitstipp“
Bundesamt für Gesundheit
Anhang: Quellen
Quellen: Forschung bei www.alkoholpolitik.ch 2009
www.alkoholpolitik.ch/ z.B. Forschung, Research, Gesundheit
Nur ein Glas? Wenn Alkohol krank macht
https://www.alkoholpolitik.ch/2009/03/12/rot-oder-weisswein-kein-unterschied-beimbrustkrebs-
risiko/2030/
Studien zu alkoholbedingten Hirnschäden
Studie zu Krebsrisiko durch Alkohol
https://www.alkoholpolitik.ch/2009/01/23/neue-empfehlung-zum-akzeptierbarenalkoholkonsum/
767/
Pränatale Alkohol-Einwirkung auf das Gehirn
aus: www.alkoholpolitik.ch archiv2008 – Forschung
Warnung: Gefahr durch Metalle in Tafelweinen. Möglicherweise gefährliche Mengen von Metall-Ionen sind in vielen im Handel erhältlichen Weinen enthalten. Eine Analyse der von 16 Ländern gemeldeten Metallgehalte ergab, dass nur diejenigen von Argentinien, Brasilien und Italien kein mögliches Gesundheitsrisiko darstellen. Quelle: Medical News Today, 10/30/08)
Mittelmeerkost schützt neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch vor Krebs, Alzheimer und Parkinson. Die Erklärung für das French Paradox Deutsches Ärzteblatt, 12.9.08
Die Amerikanische Herzgesellschaft empfiehlt den Konsum von Alkohol weder als Wein noch in anderer Form, denn es gibt klare Beweise, dass Alkoholkonsum in Verbindung mit Herzschäden in vielen Arten steht. Statt dessen … Medical News Today, 7/12/08)
Forscher haben im Versuch mit Mäusen festgestellt, dass Polyphenole im Wein im Magen
bei der Verdauung von rohem Fleisch die Entstehung von schädlichem Malondialdehyd und Hydroperoxid reduzieren, die Zellschäden hervorrufen. Dr. Kanner weist darauf hin, dass Früchte, die ebenfalls reich an Polyphenolen sind, als Dessert nach einem Mahl mit rohem Fleisch sinnvoll und gleich wirksam sind.
Kommentar: Roter Traubensaft wäre es ebenso. Aber diesen letzten Abschnitt des Artikels werden die Zeitungen hierzulande wohl kaum zitieren. Weinwerbung geht vor. Harvard World Health News, 7/9/08) Economist.com, 7/3/08
Juice ‚Prevents Clogged Arteries‘. / Fruchtsaft ist vorbeugend gegen verstopfte Arterien.
Kommentar: Das könnte die Erklärung für die gepriesene Präventivwirkung von Wein sein. Ist eigentlich schon seit längerem bekannt. Wer propagiert jetzt den Konsum von Traubensaft – ohne schädliche Nebenwirkungen? Harvard World Health News, 22.5.08, BBCNews online, 17.5.08 /
Nur zwei Gläser Wein täglich können das Mundkrebs-Risiko um 75% erhöhen, gemäss australischen Forschern. Join Together, 05/13/08)
Pflanzenschutzmittel im Wein. Eine gestern in Brüssel vorgestellte Studie zeigt, dass viele europäische Weine wahre Pestizid-Cocktails sind. Die Pflanzengifte stecken sogar in wirklich teuren Flaschen. SF1, 10 vor 10, 26.3.08
Eine Gen-Studie kommt zum Schluss, dass schon mässiger Alkoholkonsum den Blutdruck erhöhen kann und damit das Risiko für Hypertonie (erhöhten Blutdruck). Join Together, 03/24/08)
Altes Dokument über das Abwägen von gesundheitlichen Vorteilen des Alkohols und seiner Risiken, das immer noch gilt. Join Together, News, 24.8.2000 Forschung/Research192
Völlig unglaubwürdige Studie aus Dänemark zu Herz und Alkohol / Unbelievable study from Danmark on heart and alcohol. Medical News Today Leserbrief mit Links 12.01.2008
Fast seitenlanger Artikel des Tages-Anzeigers: Krebs vorbeugen mit richtigem Essen. In einer Tabelle werden Lebens- und Genussmittel aufgeführt, die ein Krebsrisiko darstellen. Alkoholische Getränke wirken mit Abstand bei den meisten Krebsarten als Risikofaktor. Dies das Ergebnis einer Auswertung von 7000 Studien durch den World Cancer Research Fund (WCRF) und des Amerikanischen Instituts für Krebsforschung (AICR). Der Leiter der Untersuchung, Marmot, sagte: „Um Krebs zu verhüten, sollte man gar keinen Alkohol trinken“. (Quelle: Tages-Anzeiger, 4.12.07) 06.12.2007
Das Magazin Fortune online, 19.1.07 bringt einen langen Artikel über die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Resveratrol-Forschung (sehr lesenswert, engl.) Can Red Wine Help You Live Forever? It’s a title to make readers aware. But the long article is only about resveratrol (Fortune, Jan. 19, 2007) (Source: Harvard World Health News, 1/25/07) 25.01.2007
Resveratrol Improves Mitochondrial Function and Protects against Metabolic Disease by
Activating SIRT1 and PGC-1 / Resveratrol verbessert die mitochondrionale Funktion und
schützt gegen metabolisches Syndrom durch Aktivierung von SIRT1und PGC-1 17.11.2006
Resveratrol improves health and survival of mice on a high-calorie diet / Resveratrol
verbessert die Gesundheit und das Überleben von Mäusen, die einer Hochkalorien-Diät
ausgesetzt wurden. 03.11.2006
Hermann T. Meyer, 30.3.09
(Die Quellen sind auf den Forschungs-Webseiten an den angegebenen Daten zu finden)
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Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 28.8.09