Der Umgang mit Alkohol beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)
Freitag 18. Oktober 2013 von htm
Es gibt bald keine Sendung mehr, in der nicht alkoholfreundlich berichtet oder gar Alkohol konsumiert wird. Nun hat sogar unsere Boulevard-Presse deshalb reagiert.
Als vor einer Woche der „Club“ über die Rolle der Medien diskutiert hatte, monierte ich die Schönfärberei, dass beim Thema Alkohol weder ausgewogen recherchiert berichtet werde, noch ausgleichend die Prävention zum Zuge komme. Meine Intervention wurde mit allgemeinen Floskeln zurückgewiesen.
Nachfolgend meine Intervention beim SRF: (25.9.13)
Sehr geehrtes Clubteam,
Die sehr beschwichtigenden Beiträge von Herrn de Weck oder Iwan Rickenbacher mögen auf viele Themen zutreffen. Bei einem
Thema, wo wirtschaftliche Interessen mitspielen, z.B. beim Thema Alkoholpolitik sind ihre Äusserungen reine Schönfärberei. Weder beim SRF noch beim Tages-Anzeiger wurde in den letzten Jahren ein wirklich recherchierter, lösungsorientierter Beitrag gebracht, der dem Publikum ermöglicht hätte, die Tragweite des Problems und die Möglichkeiten von sinnvollen Massnahmen zu dessen Linderung aufzuzeigen. Auch im Hinblick auf die aufende Parlamentsdebatte wurde die Pflicht zur objektiven Information
nicht wahrgenommen. Die Macht der Medien wird hier durch Nichtinformation wieder einmal voll ausgenützt. Zum Wohl der
Alkoholindustrie und nicht des Volkes. Die Folgen addieren sich laufend, seit über hundert Jahren. Dass Herr de Weck am Schluss noch einen Wein-Vergleich anführen musste, war noch die Krönung einer Sendung, die den Bock zum Gärtner gemacht hat.
Ich musste mich schon mehrmals in ähnlicher Weise äussern. Geändert hat sich nichts.
Bitte leiten Sie dieses Mail an die Teilnehmer der Runde
weiter. Besten Dank.
Freundliche Grüsse
Hermann T. Meyer
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Antwort vom SRF: (26.9.13)
Sehr geehrter Herr Meyer
Besten Dank für Ihr Mail. Die Tagesanzeiger-Berichterstattung zum Thema Alkoholpolitik habe ich zu wenig detailliert verfolgt, um urteilen zu können. Bei SRF wurden zahlreiche Sendung (z.B. diverse CLUB-Sendungen zu Alkoholmissbrauch und Sucht ausgestrahlt) zudem berichteten die tagesaktuellen Formate korrekt und umfassend zur laufenden Parlamentsdebatte. Das Thema wurde also sowohl inhaltlich wie auch betr. der politischen Debatte abgedeckt. Abgesehen von Roger de Wecks Bemerkung ist uns nicht ersichtlich, welche Informationen dem Publikum von Seiten der SRG vorenthalten worden sein sollen.
Freundliche Grüsse
Andrea Christener
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Meine Replik: (26.9.13)
Sehr geehrte Frau Christener,
Besten Dank für Ihre Antwort. Oberflächlich betrachtet mögen Sie recht haben. Genau besehen gibt es deutliche Defizite. Die normale Kurzberichterstattung bei Tagesschau und 10 vor 10 entspricht etwa einer Kurzmeldung in einer Zeitung. Wenn Fachleute beigezogen und interviewt werden, sieht es so aus, dass der Vertreter der Wirtschaft wesentlich mehr Zeit erhält als z.B. die Vertreterin von Sucht Schweiz. Das Hauptproblem ist aber, dass von der Redaktion/Moderation nicht kritisch nachgefragt wird. Einen kritischen, recherchierten Rundschau-Bericht hat es noch nie gegeben. Dafür laufend immer wieder alkoholfreundliche unkritische Beiträge. Die bedeutendste Auslassung der letzten Jahre war die Nichtberichterstattung über die Generalversammlung der WHO in Genf im Mai 2010. Dort wurde einstimmig mit 193 Stimmen (Schweiz inkl.) eine lange vorbereitete Resolution für eine globale Alkoholstrategie verabschiedet. Die Schweizer Medienlandschaft boykottierte sie weitgehend. Das SRF meines Wissens (ich kann allerdings nicht alles sehen) auch. In dieser Strategie werden Empfehlungen aufgelistet, nach Massgabe ihrer Effektivität. Das durfte die Bevölkerung offensichtlich nicht erfahren. Denn immer soll der Eindruck entstehen, man kann ja doch nichts machen! Wurde bei SRF während der Tankstellen-Initiative je darauf aufmerksam gemacht, dass es in erster Linie um uneingeschränkten Alkoholverkauf und nicht um Bratwürste ging?
Auch der Club hat noch kaum je eine richtige Alkohol-Präventions-Diskussion geführt. Ich kann mich nur an Themen erinnern, die sich mit Rehabilitation befassten.
Vielleicht verfolgen Sie in Zukunft die Sendungen zu diesem Thema etwas genauer. Es würde mich schon interessieren, ob Sie neue Erkenntnisse gewinnen würden.
Freundliche Grüsse
Hermann T. Meyer
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Nochmals nachgehakt: (13.10.13)
Sehr geehrte Frau Christener,
Verzeihen Sie mir, dass ich nach meiner letzten Meinungsäusserung nochmals auf das Thema zurückkomme. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht. Mir fällt jedenfalls in letzter Zeit auf, dass kaum eine Sendung, die ich ansehe, ohne Alkoholwerbung vergeht. Die Weinlese in verschiedenen Kantonen ist ein ständiges Thema, heute bei Reporter kam ein Whisky-Exporteur dran, ich muss schon sagen, da ist eine gewaltige Lobbymit Erfolg am Werk. Von alkoholpräventiven Sendungen weit und breit keine Spur. Dabei gäbe es brisante Fragestellungen zu recherchieren, z.B. einen möglichen Einfluss des Trinkverhaltens beim Strafvollzug in der Romandie.
Freundliche Grüsse
Hermann Meyer
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